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Museen: sinnvoll ohne Societal Impact

Als Messlatte für die Nützlichkeit der Museen wird seit einiger Zeit deren gesellschaftlicher Einfluss, der Societal Impact, diskutiert. Es klingt vernünftig, die gesellschaftlichen Auswirkungen zum Prüfkriterium für die Arbeit der Museen zu machen. Museen sind schließlich in der Regel öffentliche und öffentlich finanzierte Einrichtungen. Doch es ist fraglich, ob damit nicht der falsche Maßstab angelegt wird. Aus zwei Gründen: Erstens ist er nur schwierig nachzuweisen, und zweitens sind Museen im Prinzip keine sozialen, sondern kulturelle Einrichtungen.

Mit Societal Impact sind Auswirkungen auf Verhaltensweisen, auf Wissen und Einstellungen sowie auf in der Regel kognitive Fähigkeiten gemeint. Dass Museen darauf Einfluss nehmen, ist anzunehmen. Doch lässt sich diese Annahme schwierig belegen. Ein Wissenszuwachs lässt sich vielleicht noch überprüfen, eine Verhaltensveränderung eher nicht. Denn Verhalten lässt sich selten auf einen einzigen Beweggrund zurückführen und deshalb auch kaum auf das Wirken eines einzigen Museums. Darüber hinaus spielen bei Verhaltensveränderungen neben dem erhofften Einfluss der Museen auch die politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Rahmenbedingungen eine bedeutende Rolle. Diese können Museen aber kaum beeinflussen.

 Unsteuerbare Wirkungen 

Noch komplizierter als der nachträgliche Nachweis einer Verhaltensveränderung durch die Arbeit der Museen ist das Bestreben, ein bestimmtes Verhalten aktiv herbeizuführen. Aufgrund der Vielzahl an unsteuerbaren externen Wirkungen dürfte eine gezielte und im Ergebnis vorhersagbare Einflussnahme auf gesellschaftliches oder individuelles Handeln unmöglich sein.

Letztlich ist jede Form von Einfluss mit einem „vielleicht“ behaftet. Müssen Museen sich dennoch um diesen Nachweis bemühen? Zu ihren Aufgaben gehört es eigentlich nicht. Museen sind Institutionen, die kulturelle, künstlerische, historische, natürliche oder technische Artefakte, Sachverhalte und Narrationen präsentieren. Es sind Institutionen, die das Wissen über die Welt und unser Verständnis von Welt, wesentlich repräsentiert durch Dinge, thematisieren. Sicherlich kann ein Museumsbesuch künftige Verhaltensweisen beeinflussen. Aber Museen schaffen „nur“ den Erfahrungsrahmen, damit Menschen sich bilden und – so sie das aus eigenem Antrieb auch möchten – ihr Verhalten ändern.

 Museen dienen der WahrNehmung 

Wer dennoch den Nachweis eines Societal Impact einfordert, vermischt Aufgaben miteinander, die nicht zusammengehören. Wer würde beispielsweise von einem Konzerthaus den Nachweis erwarten, dass seine Besucher künftig ihr Verhalten verändern? Wer würde von einem Sozialamt einen kulturellen Einfluss einfordern? Der Drang der Museen, gesellschaftlichen Einfluss nachzuweisen, erinnert an den Versuch, die hohen Kosten der Raumfahrt mit einem Spin-off-Effekt wie der Erfindung der Teflon-Pfanne zu rechtfertigen. Es mag Spin-offs geben. Aber es sind Nebeneffekte. Raumfahrt dient der Erkundung des Weltalls. Museen dienen der Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit Mensch, Natur und Umwelt.

Museen können ihren Aufgaben besser nachkommen, wenn sie Menschen Erfahrungen ermöglichen, die sie ohne Museen niemals machen würden. Damit erweisen sie ihren Besucher*innen den größten Dienst. Wer dahinter keinen gesellschaftlichen Nutzen erkennen kann, zumindest solange dieser nicht gemessen wird, trennt die Interessen der Menschen von den vermuteten Interessen einer abstrakten, entindividualisierten Gesellschaft. Innerhalb einer derartigen Gesellschaft lassen sich Akteure sicherlich auf ihre Funktionalität hin überprüfen. Doch das ist nicht das Feld, auf dem sich Museen bewegen. Im Zweifelsfall dienen sie doch eher den Menschen als der Gesellschaft. Museen, die sich auf die Überprüfung ihres Societal Impact einlassen, bringen ihren ureigenen kulturellen Auftrag in Gefahr. Der besteht nämlich darin, den Menschen Optionen des Denkens, des Wahrnehmens, des Handelns anzubieten, nicht darin, sie zu beeinflussen oder zu erziehen.

Man könnte diesen Text so verstehen, dass Museen keinen Bildungsauftrag übernehmen sollten. Aber das wäre ein Missveständniss. Ich unterscheide zwischen dem, was ein Museum im Kern ausmacht, und dem, was ein Museum dadurch oder zusätzlich sein kann. Ein Museum ist im Kern ein WahrNehmungs-Raum. Das schließt nicht aus, dass Museen auch Bildungsort, Versammlungsstätte, Vernügungseinrichtung, Rückzugsareal, Sehschule, Konzertsaal, Kathedrale oder begehbares Denkmal und vieles mehr sein können.